Im März sorgte der japanische Riesen-Containerfrachter “Ever Given” weltweit für Schlagzeilen, als er havarierte und tagelang den Suezkanal blockierte. Für die internationale Seeschifffahrt zwischen Europa, dem Nahen und Fernen Osten kam das einem GAU gleich. Daher war die Erleichterung groß, als nach relativ kurzer Zeit der Kanal wieder frei wurde. Doch Europas Häfen bekommen die Folgen der “Verstopfung” jetzt noch zu spüren, auch der Hamburger Hafen.
Zunächst sorgte die “Ever Given”-Blockade für eher flaues Geschäft an den Hamburger Container-Terminals – schlicht, weil deutlich weniger Frachter als sonst nach Norden gelangen konnten. Währenddessen stauten sich rund 400 Schiffe vor der Kanaleinfahrt in Suez in der Hoffnung, die “Ever Given” könne bald wieder flott gemacht werden. Nach sechs Tagen war es so weit. Bis sich dann die geballte Ansammlung von Schiffen auflöste und diese ihren Weg durch den Suezkanal fanden, brauchte es aber einige Zeit.
Schiffs- und Containerstau – nicht nur in Hamburg
Mittlerweile ist das gelungen und die Schiffe konnten ihre Zielhäfen ansteuern, so auch den Hamburger Hafen. Dort haben die Hamburger Speditionen bzw. Umschlagsbetriebe aber nun Probleme, mit dem Ansturm fertig zu werden. Die Umschlagskapazitäten sind mehr als ausgelastet. Der Stau vor dem Suezkanal wiederholt sich zum Teil zeitversetzt in Europas wichtigsten Häfen. Dabei war der Seefrachtverkehr schon vorher durch verschiedene Ereignisse belastet – Staus in US-Pazifikhäfen, Störungen durch aufgetretene Corona-Infektionsherde und durch Arbeitskämpfe beim Hafenpersonal. Die plötzliche Suez-Blockade und ihre ebenso plötzliche Auflösung haben die gewohnte Taktung vollends durcheinander gebracht. Verspätungen und Lieferverzögerungen sind die Folge. Container sind zu einem knappen Gut geworden, weil der normale Fluss der Stahlbehälter ins Stocken geraten ist.
In Hamburg hält sich der Stau im Vergleich zu Europas größtem Hafen Rotterdam noch in Grenzen. Das verdankt die Hansestadt ihrer Lage im Inland rund 80 Kilometer von der Küste entfernt. Die Anmeldung von Schiffen für den Hafenanlauf erfolgt hier bereits, während sie noch auf See oder in einem anderen Hafen sind. Bis sie dann tatsächlich den Hamburger Hafen erreichen, braucht es einige Zeit. Das schafft Spielraum für gesteuerte Entzerrung – durch Tempodrosselung oder längere Liegezeiten im Vorfeld.
Trotzdem hat die “Ever Given”-Havarie den Hafenbetrieb unmittelbar betroffen. Hamburg war eines der Anlaufziele der “Ever Given” und 50 weitere Schiffe aus dem Suez-Stau – jedes achte – machten und machen im Hamburger Hafen Stopp. Selbst wenn eine zügige Entladung gelingt, der nächste Stau ist schon vorprogrammiert. Jeder zweite Container wird über die Bahn weitertransportiert. Auch hier tun sich Kapazitätsprobleme auf. Die Container können gar nicht so schnell weggeschafft werden, wie sie an den drei Terminals neu auflaufen.
Warum es noch längere Zeit “ruckeln” wird im Seeverkehr
Schnell lösen werden sich die aktuellen Engpässe im internationalen Seeverkehr nicht. Der “Ever Given”-Fall mag ein singuläres und zeitlich befristetes Ereignis sein. Gravierender sind die Auswirkungen des Corona-Schocks im vergangenen Jahr und der jetzt zunehmend dynamischer werdenden Erholung danach mit entsprechenden Nachholeffekten. Allein im März nahmen die Importe aus China über Hamburg um 16 Prozent zu – nach einem Absturz im Vorjahr. Es wird Zeit brauchen, bis sich im internationalen Seeverkehr und Transportgeschäft wieder ein Gleichgewicht einpendelt und Störungen beseitigt sind.