Über viele Jahre galt Logistik als ein klassisches Feld für Outsourcing. Viele Unternehmen überließen diese externen Dienstleistern. In der globalisierten Welt kein Problem. Die Auslagerung von Transport und Lagerung an Spezialisten half, Kosten zu sparen und ermöglichte die Konzentration auf das eigentliche Kerngeschäft.
Mit dem Supply Chain Management entstand sogar eine eigene Betriebswirtschaftslehre rund um Lieferketten und Beförderung. Die Logistikbranche profitierte von diesem Trend und verzeichnete eindrucksvolle Wachstumsraten.
Heute liest sich das ein wenig wie ein “Märchen” aus der “guten alten Zeit”. Nicht erst seit Corona ist Sand im Getriebe der internationalen Lieferketten. Und immer mehr Unternehmen gehen dazu über, ihre Logistik wieder selbst in die Hand zu nehmen. Insourcing statt Outsourcing ist angesagt.
Was ist Transport und Logistik?
Der Begriff Logistik alleine beschreibt alle zur Planung, Steuerung, Bereitstellung und Optimierung von Prozessen entlang der Wertschöpfungskette notwendigen Aufgaben. Der Begriff Transportlogistik hingegen beschreibt die umfassende Betrachtung aller logistischen Vorgänge, welche für einen Transport notwendig sind, um diese in weiterer Folge zu optimieren und Kosten einzusparen. Dazu gehören: Beladung, Entladung, Auslastung, Übergabe und Identifizierung von Gütern.
Als die Globalisierung erlahmte – gestörte internationale Arbeitsteilung
Die 1980er und 1990er Jahre dürfen mit Fug und Recht als die “goldenen Jahre” der Globalisierung gelten.
- Die Öffnung der Volksrepublik China,
- der Zerfall des Ostblocks und das Ende der Sowjetunion,
- die Öffnung von Grenzen und die Etablierung marktwirtschaftlicher Systeme
setzte eine ungeheure Dynamik in Gang und schuf weltweit Wohlstandsgewinne. Die internationale Arbeitsteilung nahm stetig zu, damit entstand auch eine hohe Nachfrage nach internationalen Speditions-Dienstleistungen.
Die “schöne neue Welt” erhielt erste Risse mit dem 11. September 2001, der zeigte, dass internationale Verflechtung auch Nachteile haben kann. Ein Eindruck, welcher spätestens durch die Finanzkrise 2007/2008 noch verstärkt wurde.
Etwa ab dieser Zeit erlahmte das Globalisierungs-Geschehen
Dazu trug u.a. die zunehmende Rivalität zwischen den USA und China bei. Genauso wie eine wachsende Skepsis in vielen westlichen Industriestaaten gegenüber dem internationalen Freihandel. Abkommen wie TTIP oder CETA gerieten in der Folge ins Stocken oder kamen nur noch mühsam voran. Mit seinem rabiaten “America First” läutete Donald Trump dann gar einen neuen protektionistischen Kurs ein und brach einen globalen Handelskrieg vom Zaun – mit China im Fokus.
Die Corona-Pandemie hat die Lieferketten nachhaltig gestört
Zu allem Überfluss überschwemmte dann ab 2020 Corona den Erdball und brachte die Lieferketten weltweit vollends durcheinander. Darunter leidet die globale Wirtschaft bis heute – und ein Ende ist nicht in Sicht. Aktuell beherrscht das Virus das Geschehen in Mitteleuropa wieder vollkommen und Schreckensnachrichten von neuen Varianten machen bereits die Runde.
Der internationale Seetransport – das Rückgrat der globalen Beförderung – ist empfindlich gestört:
- Staus in Häfen,
- Container-Mangel,
- drastisch gestiegene Frachtraten,
- enorme Lieferverzögerungen
- sowie die Ungewissheit, was noch kommen mag.
So sieht derzeit der Alltag im globalen Logistik-Geschäft aus.
Dass manche große Unternehmen dieser Entwicklung nicht einfach tatenlos zusehen wollen, ist nachvollziehbar. Ihr Vorteil: Sie verfügen volumenmäßig über Transport-Bedarfe und über die wirtschaftliche Potenz, um Logistik auch in Eigenregie darstellen zu können.
Die höheren Kosten des Eigentransports werden für den Gewinn an Sicherheit, Flexibilität und Kalkulierbarkeit in Kauf genommen. Betriebswirtschaftlich kann sich das in unsicheren Zeiten sogar rechnen. Container-Verschiffung aus Asien in die USA kostet heute 20.000 Dollar – fast zehnmal so viel vor der Pandemie.
Amazon, Coca-Cola, Ikea & Co. – so geht Logistik in Eigenregie
Ganz weit vorne bei Logistik in Eigenregie ist Amazon. Der weltgrößte Online-Händler hatte schon im Januar seine eigene Luftfracht-Flotte auf 85 Maschinen aufgestockt. Im Oktober meldete das Unternehmen eine Verdoppelung seines Container-Bestands und die angestrebte konsequente Ausweitung seiner strategischen Logistik-Partnerschaften. Amazon will zudem weitere Milliarden in seine Logistik investieren.
Andere Unternehmen setzen auf Eigentransport in Geschäftsspitzen. Die Einzelhändler Walmart, Costco und Target haben für das Weihnachtsgeschäft 2021 eigene Schiffe gechartert. Das diesjährige Weihnachtsgeschäft ist durch die Störung der internationalen Lieferketten besonders schwer getroffen.
Manche Waren sind in Bezug auf die Festtage “zeitkritisch” und “saisonbezogen”. Sie vertragen keine Lieferverzögerungen. Walmart setzt dabei bewusst auf kleinere Schiffe, um auch weniger überlaufene Häfen abseits üblicher Routen ansteuern zu können.
Besonders kreativ zeigt sich der Getränke-Gigant Coca Cola. Hier heuerte man sogar Kohlefrachter an, um seine Erfrischungen zeitnah zum Konsumenten bringen zu können. Not macht erfinderisch. Auch der schwedische Möbel-Konzern Ikea will mit selbst gecharterten Schiffen mehr Beweglichkeit gewinnen. Andere Unternehmen dürften diesen Beispielen folgen.
Als Alternative zum Seetransport wird auch verstärkt auf Luftfracht gesetzt. Angesichts der enormen Verteuerungen im internationalen Seetransport relativiert sich der Kostennachteil der Luftfracht, zumal der Transport per Flugzeug in der Regel besonders schnell, pünktlich und kurzfristig umsetzbar ist.
Wird die Lieferwelt wieder normal? Ob und wann sich das globale Transport- und Logistik-Geschäft wieder normalisiert, steht einstweilen in den Sternen. Einige Stimmen meinen sogar, es werde nie wieder so wie es einmal war. Fakt ist, dass globale Rivalitäten wie zwischen den USA und China auch nach dem Ende der Pandemie bestehen bleiben werden. Die Welt wird nicht sicherer. Mehr Beweglichkeit und eigene Steuerungsmöglichkeiten beim Transport dürften daher auch in Zukunft geschätzt sein.